#alma johann wolfgang goethe und christiane vulpius hatten fünf kinder, von denen nur der sohn august das erwachsenenalter erreichte, und drei enkel, die august mit ottilie von pogwisch gezeugt hatte: walther, wolfgang und alma. mit diesen kinderlosen dreien starb die familie des dichterfürsten aus. goethes jüngste enkelin alma, die heute vor 193 jahren in weimar geboren wurde und des großvaters „augenstern“ gewesen sein soll, ist die einzige, die ein wenig bekannter wurde. weil sie – achtung corona – kurz vor ihrem 17. geburtstag während eines aufenthalts in wien nach einem großen gartenfest mit tanz der dort grassierenden typhusepidemie zum opfer fiel, und weil franz grillparzer aus diesem anlass ein gedicht geschrieben hat (gerichet an den verehrten, bereits verstorbenen goethe):
Alma von Goethe
Das hast du nicht gedacht, Gewaltger du, Als du noch weiltest in der Menschheit Schlacken, Dass einst dein Enkelkind frühzeitge Ruh Soll finden in dem »Lande der Phäaken«.
Und dass der Mann, der schüchtern vor dir stand, Den Blick gesenkt vorm hehren Strahl des deinen, Am fabelgleichen fernen Isterstrand Bei ihrem offnen Grabe werde weinen.
Es kommt so manches anders, als man meint, Und ist gekommen, warst du gleich der Weise. Die Sonne, wenn sie hoch im Mittag scheint, Senkt schon zum Untergang sich mählich leise.
Nach neuen Zonen wendet sich der Geist Und lässt, was blank, in grauen Dunkel rosten, Ist doch, was uns der ferne Westen heißt, Für andre Völker auch zugleich ein Osten.
So drang dein Wort, so kam dein Enkelkind In unsre Morgenrot-bestrahlte Fluren; Hoch schlug mein Herz, verschönt, wie Weiber sind, In ihr zu finden deiner Züge Spuren.
Und so trat ich, zu huldgen, in den Saal, Wo schon das Teegerät die Tische krönte, Die Frau begrüßend, deines Sohnes Wahl, Die dir des Lebens Abendrot verschönte.
Doch war kein weiblich Wesen sonst im Kreis, Nur Herren, schwarz, als wär ein Sarg zur Stelle. Da öffnet sich die Tür, und hell und weiß Tritt kinderhaft das Mädchen auf die Schwelle.
Die ich gedacht mir in der Hoheit Schein, Von angestammter Herrlichkeit erglänzend, Ein Teebrett in den Händen, trat sie ein, Demütig Brot zum heißen Trank kredenzend.
Doch wars, als ob, dem Erlenkönig gleich, Des Ahnherrn Geist ob ihrem Scheitel schwebte, Und sie, das Kind, dem Kind im Liede gleich, Vorm Anhauch einer geistgen Ladung bebte.
Wie an dem Eichstamm, den der Blitz geneigt, Die Blume hell empor die Blätter richtet, Als ob nicht dein Erzeugter sie erzeugt, Als ob ihr Ahn sie Klärchen-gleich gedichtet.
Sie fühlte wohl den Wink der fernen Hand, Die Sehnsucht nach dem Land der reinen Lilien, Und ging dahin, so stamm- als wahlverwandt, Verwaisend und verdoppelnd die Ottilien.
Du aber schaust mit ernstem Blick herab, Wo sie der Grund, Beethoven nah, verschlungen, Und sprichst kopfschüttelnd ob dem frühen Grab: »Das war dir an der Wiege nicht gesungen!«
Image: Von Louise Seidler – http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3396, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12349931
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#alma johann wolfgang goethe und christiane vulpius hatten fünf kinder, von denen nur der sohn august das erwachsenenalter erreichte, und drei enkel, die august mit ottilie von pogwisch gezeugt hatte: walther, wolfgang und alma. mit diesen kinderlosen dreien starb die familie des dichterfürsten aus. goethes jüngste enkelin alma, die heute vor 193 jahren in weimar geboren wurde und des großvaters „augenstern“ gewesen sein soll, ist die einzige, die ein wenig bekannter wurde. weil sie – achtung corona – kurz vor ihrem 17. geburtstag während eines aufenthalts in wien nach einem großen gartenfest mit tanz der dort grassierenden typhusepidemie zum opfer fiel, und weil franz grillparzer aus diesem anlass ein gedicht geschrieben hat (gerichet an den verehrten, bereits verstorbenen goethe):
Alma von Goethe
Das hast du nicht gedacht, Gewaltger du,
Als du noch weiltest in der Menschheit Schlacken,
Dass einst dein Enkelkind frühzeitge Ruh
Soll finden in dem »Lande der Phäaken«.
Und dass der Mann, der schüchtern vor dir stand,
Den Blick gesenkt vorm hehren Strahl des deinen,
Am fabelgleichen fernen Isterstrand
Bei ihrem offnen Grabe werde weinen.
Es kommt so manches anders, als man meint,
Und ist gekommen, warst du gleich der Weise.
Die Sonne, wenn sie hoch im Mittag scheint,
Senkt schon zum Untergang sich mählich leise.
Nach neuen Zonen wendet sich der Geist
Und lässt, was blank, in grauen Dunkel rosten,
Ist doch, was uns der ferne Westen heißt,
Für andre Völker auch zugleich ein Osten.
So drang dein Wort, so kam dein Enkelkind
In unsre Morgenrot-bestrahlte Fluren;
Hoch schlug mein Herz, verschönt, wie Weiber sind,
In ihr zu finden deiner Züge Spuren.
Und so trat ich, zu huldgen, in den Saal,
Wo schon das Teegerät die Tische krönte,
Die Frau begrüßend, deines Sohnes Wahl,
Die dir des Lebens Abendrot verschönte.
Doch war kein weiblich Wesen sonst im Kreis,
Nur Herren, schwarz, als wär ein Sarg zur Stelle.
Da öffnet sich die Tür, und hell und weiß
Tritt kinderhaft das Mädchen auf die Schwelle.
Die ich gedacht mir in der Hoheit Schein,
Von angestammter Herrlichkeit erglänzend,
Ein Teebrett in den Händen, trat sie ein,
Demütig Brot zum heißen Trank kredenzend.
Doch wars, als ob, dem Erlenkönig gleich,
Des Ahnherrn Geist ob ihrem Scheitel schwebte,
Und sie, das Kind, dem Kind im Liede gleich,
Vorm Anhauch einer geistgen Ladung bebte.
Wie an dem Eichstamm, den der Blitz geneigt,
Die Blume hell empor die Blätter richtet,
Als ob nicht dein Erzeugter sie erzeugt,
Als ob ihr Ahn sie Klärchen-gleich gedichtet.
Sie fühlte wohl den Wink der fernen Hand,
Die Sehnsucht nach dem Land der reinen Lilien,
Und ging dahin, so stamm- als wahlverwandt,
Verwaisend und verdoppelnd die Ottilien.
Du aber schaust mit ernstem Blick herab,
Wo sie der Grund, Beethoven nah, verschlungen,
Und sprichst kopfschüttelnd ob dem frühen Grab:
»Das war dir an der Wiege nicht gesungen!«
Image: Von Louise Seidler – http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3396, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12349931