„eigentlich möchte man ihr stundenlang in die fresse hauen! so frech und vergnügt grienend steht sie da. rot leuchtet der kopf. rund alle rundungen. das auge zwinkert wissend, jedes wort kräht krakelend. urkomisch, hinreißend“ (paul marcus).claras kopf leuchtete schon, als sie als einziges von 16 geschwistern am 21.10.1884 mit feuerroten haaren in gelsenkirchen zur welt kommt und deswegen zwar die tochter von clementine wortmann, aber schwerlich die ihres gatten wilhelm sein konnte. dafür gibt es in der nähe der wortmannschen gastwirtschaft eine zweite kneipe und einen gastwirtssohn mit den passenden knallroten haaren – die parteien einigen sich, clara wird als legitim anerkannt und die wortmanns ziehen nach oberhausen. clara bleibt „anders“, sie besucht als einzige der geschwister die höhere töchterschule und lernt klavierspielen. für ein medizinstudium reicht das geld nicht, und sie beschließt schauspielerin zu werden – ohne je eine schauspiel- oder musikschule besucht zu haben. „claire waldoff“ will sie heißen, tingelt erst durch die provinz („ich sah damals aus wie ein fröhliches, verschmitztes, listiges eichhörnchen, immer vergnügt und selig, der kunst angehören zu dürfen“) und kommt 1906 in berlin an. erst sind es nebenrollen in komödien, u.a. im figaro-theater am ku’damm, dann wechselt sie zum kabarett roland von berlin auf der potse. ihre erste nummer wird von der zensur wegen eines antimilitaristischen textes und wegen ihres eton-boy-anzugs gestrichen: nach 23 uhr dürfen frauen nicht in herrenanzügen auftreten. aber der neue musikalische leiter walter kollo komponiert ihr drei neue lieder, die sie noch vor dem ersten weltkrieg zum star machen…
1917 lernt sie olga („olly“) von roeder kennen. die beiden werden ein paar und bleiben es ein leben lang, auch im bayrischen „exil“ ab 1939 und bis zu waldoffs tod 1957; in berlin sind die beiden stammgäste im schöneberger damenklub pyramide und einer der mittelpunkte des lesbischen nachtlebens.claire waldoffs auftritts- und vortragsstil ist spektakulär und neu: sie raucht und flucht auf der bühne im kneipenjargon, trägt bubikopf, hemdbuse, schlips, hat eine ausgeprägte mimik und spart mit gesten.und sie hat das glück in berlin auf kongeniale texter und komponisten zu treffen: friedrich hollaender, kurt tucholsky, walter kollo, fritz löhner-beda, erich kersten, rideamus, jean gilbert und andere.
die waldoff ist mitte der 20er jahre auf dem zenit ihrer karriere, die zwei größten varietés, die scala und der wintergarten, haben sie unter vertrag, sie singt im chat noir, im linden-cabarett, im metropol. im rundfunk werden ihre chansons hoch und runter gespielt und ihre schallplatten verkaufen sich wie geschnitten brot: mir ham se de gurke vom schnitzel weggemopst; nach meine beene is ja janz berlin verrückt; herr meyer, wo bleibt denn bloß mein reiher; hermann heeßt er; jott, was sind die männer dumm; und willst du nicht die meine sein – na schön – dann nicht; wegen emil seine unanständige lust; das lied vom jagdschein; mutterns hände; warum liebt der wladimir grade mir; minna muss zum film; der rosaseidene schlüpfer; mensch, dir hängt ja’n zippel raus; wer schmeißt denn da mit lehm…
die ruhrpottgöre wird zum synonym für die berliner schnauze. und sie ist mit ihren gassenhauern und in den revuen ein liebling der kleinen leute – der gegenpol zu den herausgeputzten revue-girls, und als frau ein vorbild für andere frauen, eine der ersten, die fahrrad fährt, gymnasialkurse besucht, auto fährt und in männerkleidung auftritt. allein das alles schon ein dorn im auge der neuen machthaber. 1933 bekommt sie auftrittsverbot, u.a. weil sie wiederholt benefizkonzerte für die kommunistische rote hilfe gibt. waldoff tritt zwar noch der reichskulturkammer bei, aber goebbels verbietet ihr bald erneut in der scala zu spielen und die auftrittsmöglichkeiten werden immer rarer. 1939 verläßt sie berlin, auch wegen der verbotenen lesbischen beziehung zu olga, in deren familiengrab sie 1957 beigesetzt wird…claire aktuell von 1926
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„eigentlich möchte man ihr stundenlang in die fresse hauen! so frech und vergnügt grienend steht sie da. rot leuchtet der kopf. rund alle rundungen. das auge zwinkert wissend, jedes wort kräht krakelend. urkomisch, hinreißend“ (paul marcus).claras kopf leuchtete schon, als sie als einziges von 16 geschwistern am 21.10.1884 mit feuerroten haaren in gelsenkirchen zur welt kommt und deswegen zwar die tochter von clementine wortmann, aber schwerlich die ihres gatten wilhelm sein konnte. dafür gibt es in der nähe der wortmannschen gastwirtschaft eine zweite kneipe und einen gastwirtssohn mit den passenden knallroten haaren – die parteien einigen sich, clara wird als legitim anerkannt und die wortmanns ziehen nach oberhausen. clara bleibt „anders“, sie besucht als einzige der geschwister die höhere töchterschule und lernt klavierspielen. für ein medizinstudium reicht das geld nicht, und sie beschließt schauspielerin zu werden – ohne je eine schauspiel- oder musikschule besucht zu haben. „claire waldoff“ will sie heißen, tingelt erst durch die provinz („ich sah damals aus wie ein fröhliches, verschmitztes, listiges eichhörnchen, immer vergnügt und selig, der kunst angehören zu dürfen“) und kommt 1906 in berlin an. erst sind es nebenrollen in komödien, u.a. im figaro-theater am ku’damm, dann wechselt sie zum kabarett roland von berlin auf der potse. ihre erste nummer wird von der zensur wegen eines antimilitaristischen textes und wegen ihres eton-boy-anzugs gestrichen: nach 23 uhr dürfen frauen nicht in herrenanzügen auftreten. aber der neue musikalische leiter walter kollo komponiert ihr drei neue lieder, die sie noch vor dem ersten weltkrieg zum star machen…
1917 lernt sie olga („olly“) von roeder kennen. die beiden werden ein paar und bleiben es ein leben lang, auch im bayrischen „exil“ ab 1939 und bis zu waldoffs tod 1957; in berlin sind die beiden stammgäste im schöneberger damenklub pyramide und einer der mittelpunkte des lesbischen nachtlebens.claire waldoffs auftritts- und vortragsstil ist spektakulär und neu: sie raucht und flucht auf der bühne im kneipenjargon, trägt bubikopf, hemdbuse, schlips, hat eine ausgeprägte mimik und spart mit gesten.und sie hat das glück in berlin auf kongeniale texter und komponisten zu treffen: friedrich hollaender, kurt tucholsky, walter kollo, fritz löhner-beda, erich kersten, rideamus, jean gilbert und andere.
die waldoff ist mitte der 20er jahre auf dem zenit ihrer karriere, die zwei größten varietés, die scala und der wintergarten, haben sie unter vertrag, sie singt im chat noir, im linden-cabarett, im metropol. im rundfunk werden ihre chansons hoch und runter gespielt und ihre schallplatten verkaufen sich wie geschnitten brot: mir ham se de gurke vom schnitzel weggemopst; nach meine beene is ja janz berlin verrückt; herr meyer, wo bleibt denn bloß mein reiher; hermann heeßt er; jott, was sind die männer dumm; und willst du nicht die meine sein – na schön – dann nicht; wegen emil seine unanständige lust; das lied vom jagdschein; mutterns hände; warum liebt der wladimir grade mir; minna muss zum film; der rosaseidene schlüpfer; mensch, dir hängt ja’n zippel raus; wer schmeißt denn da mit lehm…
die ruhrpottgöre wird zum synonym für die berliner schnauze. und sie ist mit ihren gassenhauern und in den revuen ein liebling der kleinen leute – der gegenpol zu den herausgeputzten revue-girls, und als frau ein vorbild für andere frauen, eine der ersten, die fahrrad fährt, gymnasialkurse besucht, auto fährt und in männerkleidung auftritt. allein das alles schon ein dorn im auge der neuen machthaber. 1933 bekommt sie auftrittsverbot, u.a. weil sie wiederholt benefizkonzerte für die kommunistische rote hilfe gibt. waldoff tritt zwar noch der reichskulturkammer bei, aber goebbels verbietet ihr bald erneut in der scala zu spielen und die auftrittsmöglichkeiten werden immer rarer. 1939 verläßt sie berlin, auch wegen der verbotenen lesbischen beziehung zu olga, in deren familiengrab sie 1957 beigesetzt wird…claire aktuell von 1926
(text/musik: friedrich hollaender):
Image: Bundesarchiv, Bild 183-R07878 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons