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Dia Anatomie der Marie Marguerite Bihéron

#anatomin von marie marguerite bihéron, *17. 11.1719, ist kein bild und keines ihrer präparate überliefert (abgebildet sind ähnliche), doch hat die apothekerstochter aus paris mit ihren anatomischen modellen einen außerordentlich wichtigen beitrag zur ausbildung von ärzten, chirurgen und hebammen geleistet. in einer zeit, in der es frauen verboten war, zu studieren und es nicht genügend leichen gab, an denen studenten hätten experimentieren können…
kleine modelle des menschlichen körpers zu studienzwecken aus holz oder elfenbein gab es schon früher. erste versuche für lernzwecke mit wachs zu konservieren gehen auf das 14.jh. und florenz zurück, wo man wachs in blutgefäße toter injizierte, um sie in ruhe studieren zu können; das älteste lernmodell aus wachs ist ein “anatomischer kopf“, der ende des 17. jh. von gaetano giuliano zumbo für cosimo III de’medici angefertigt wurde. doch ganze künstliche körper mit herausnehmbaren organen waren zu bihérons zeiten noch neu, obgleich es in bologna eine weitere frau – anna morandi manzolini – gab, die gleichzeitig mit marie marguerite bihéron für ihre anatomischen wachsmodelle berühmt wurde.
warum nun bihéron so fasziniert vom menschlichen körper war, ist nicht überliefert, nur, dass sie wegen der schnellen verwesung der präparate vom zeichnen irgendwann zum erschaffen lebensgroßer wachspräparate überging. da das in frankreich für frauen nicht opportun war, reiste marie bihéron nach london und lernte dort beim anatomen william hunter und dem chirurgen william hewson. zu hause musste sie sich illegal leichen aus krankenhäusern und von friedhöfen beschaffen, um abgüsse von den sezierten exemplaren machen, und daraus naturgetreue kopien mit beweglichen teilen herstellen zu können, die sie detalliert bemalte. offensichtlich entwickelte sie dabei eine außerordentliche fertigkeit, die einige berühmtheiten ihrer zeit veranlasste, sie zu fördern. 1759 wurde sie zum ersten mal eingeladen, ihre modelle in der académie royale des sciences zu demonstrieren und die erreichten schnell internationalen ruf. da die akademie aber frauen nicht unterstützte und die unverheiratete bihéron irgendwie ihren lebensunterhalt verdienen musste, öffnete sie über drei jahrzehnte gegen ein eintrittsgeld von drei franc jeden mittwoch das kuriositätenkabinett in ihrer wohnung, präsentierte ihre „anatomie artificielle“ und zog damit neben normalen schaulustigen auch bedeutende chirurgen, akademiker und künstler an. die ausgangsobjekte ihrer modelle, also die leichen, bewahrte sie in einer art glashaus in ihrem garten auf, das sie „mein kleines boudoir“ nannte. ein englischer besucher, der chirurg sir john pringle, schrieb „das einzige, was fehlt“, ist der gestank“. daneben gab bihéron privat anatomieunterricht (offiziell war auch das frauen nicht erlaubt); zu ihren studenten gehörten denis diderot und benjamin franklin. und sie verkaufte ihre modelle, u.a. an den könig von dänemark und über den russischen botschafter an kaiserin katharina II. 1786 erwarb königin marie antoinette die sammlung im tausch gegen eine kleine leibrente für marie marguerite bihéron, die zu dieser zeit offenbar schon krank war und 1795 starb (die revolutionsregierung hat ihr die rente wieder entzogen). nach bihéron war es louis thomas jérôme auzoux, der die präzision und die haltbarkeit der modelle des menschlichen körpers weiter verfeinerte, indem er pappmaché statt wachs benutzte, bis zum ende des 19. jh. die ära der gips- und kunststoffmodelle anbrach…

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